Bildquelle: Stiftung Ferien im Baudenkmal; Zeljko Gataric, Zürich
Ferien in einer Kirche, in einer Ikone des Neuen Bauens oder in einem jahrhundertealten Bauernchalet? Klingt nach Abwechslung, riecht aber auch etwas nach spartanischen Verhältnissen und dem Zahn der Zeit. Bei näherem Hinsehen handelt es sich um die zeitgemässe und konsequente Idee, Baukultur zu bewahren.
An verschiedenen Orten hat man es sich zur Aufgabe gemacht, gefährdete historische Bauten sorgfältig und mit Liebe zum Detail zu sanieren und sie an Gäste zu vermieten. Alter Baubestand wird so sanft und nachhaltig nutzbar gemacht. Dabei muss man nicht zwangsläufig auf Komfort verzichten. In der Regel bieten die betreffenden Häuser nicht mehr den Wohnstandard heutiger Häuser. Mit ihrer charmanten Mischung aus restauriertem Bestand und modernen Elementen stellen sie aber die idealen Rückzugsorte für alle dar, die für eine kurze Zeit nach Ruhe und Authentizität suchen.
Verschiedene Initianten retten auf diese Weise dem Verfall geweihte, leerstehende Objekte und machen sie auch für die Öffentlichkeit nutzbar. Ziel ist ein Ferienerlebnis, bei dem sich traditionelle Baukultur hautnah erfahren lässt. Damit begeistern sie Gäste für die entlegenen Regionen und ermöglichen einen nachhaltigen Tourismus. Das wertet speziell Regionen auf, die von Abwanderung betroffen sind. Die Gäste profitieren ebenso wie Ortsbilder und Kulturlandschaften.
Vertreter und Anbieter der Idee
Schweiz
Das Türalihus in Valendas (GR) ist eines der Aushängeschilder der Schweizer Stiftung Ferien im Baudenkmal. Die 2005 gegründete Stiftung ist eine Non-Profit-Organisation des Schweizer Heimatschutzes. Sie übernimmt schweizweit historisch wertvolle Bauwerke, renoviert und vermietet sie. Das Türalihaus erhielt dafür 2017 die Auszeichnungen „Gute Bauten Graubünden“ und „Umgang mit denkmalwürdiger Bausubstanz“. Das Gebäude ist eins von mehreren stattlichen Bürgerhäusern im Ortskern von Valendas, einem Ort mit 300 EinwohnerInnen. Es stammt in seinen ältesten Teilen von 1485. Das gemeinsame Engagement von Architekten, Bürgerverein, Schweizer Heimatschutz und zuständiger Denkmalpflege sorgte für eine Revitalisierung des Gebäudes. Die Restaurierung wurde dabei auf das Notwendigste beschränkt: Handwerkliche Reparaturen mit traditionellen Materialien, eine wissenschaftlich konservierende Reinigung gestalteter Oberflächen sowie ein sorgfältiges Einfügen neuer Ausstattung. Es galt, die originale Bausubstanz und den einzigartigen Charakter des Hauses zu erhalten. Ausgetretene Steinstufen, verrusste Stellen in der alten Küche, bemalte Täfer und Öfen in den Stuben zeugen noch heute von der Erbauerzeit. Die Restaurierungsarbeiten folgten einem streng konservativen Ansatz und lassen sich mit dem Schlagwort „Mut zum Fragment“ umschreiben.
Die Wohnungen im Türalihus wurden mit modernen Küchen- und Sanitäreinrichtungen ausgestattet, sowie mit Schweizer Designklassikern. Es entstand eine reizvolle Kombination zwischen Geschichte und Gegenwart. Im Besitz und unter der Verwaltung der Stiftung Ferien im Baudenkmal stehen neben Bürgerhäusern vor allem etliche alpine Holzhäuser sowie Handwerker- und Bauernhäuser. Eine Rarität stellt die Wohnung in der Werkbundsiedlung Neubühl in Zürich dar. Sie steht für das Neue Bauen, das ab Ende der 1920er-Jahre bekanntlich ein Wohngefühl mit viel Luft, Licht und klaren Formen propagierte. Für ein authentisches Erlebnis ist die Gästewohnung des Werkbundes auch mit den damals eigens von den Architekten entworfenen Möbeln ausgestattet. Das Angebot von „Ferien im Baudenkmal“ wird anhaltend vergrössert. Aktuelles Projekt ist beispielsweise das Flederhaus in Wegenstetten (AG). Das ehemalige Trottenhuus wird derzeit sanft in Stand gestellt und zum Flederhaus umfunktioniert. Dazu werden die Umgebung für die geschützte Hufeisenfledermaus fledermausfreundlich aufgewertet und im Wohnteil des Baudenkmals Ferienwohnungen eingerichtet. Ein Ort zum hautnahen Erleben von Baukultur und Erleben von Artenschutz.
magnificasa.ch
werkbund.ch
magnificasa.ch
werkbund.ch
Bildquelle: Denkmalpflege Kanton Zürich; Urs Siegenthaler, Zürich
Luft, Licht und klare Formen: Auch in einer Ikone des
„Neuen Bauens“ – der Werkbundsiedlung Neubühl in Zürich
– lassen sich Ferien verbringen.
England
Als Vorbild für die Schweizer Stiftung gilt der Landmark Trust in England. Bereits 1965 initiierten Sir John und Lady Smith eine Stiftung, die sich um kleinere erhaltenswerte Häuser in Grossbritannien bemühen sollte. Es ging darum, historische Gebäude zu erhalten und die Öffentlichkeit dafür zu begeistern – und das nicht in Form von Museen, sondern als lebendig genutzte Orte. So entstand das Konzept, Ferienhäuser mit Charakter daraus zu machen.
Ob ein Haus sich für eine Rettung durch den Trust eignet, macht dieser heute noch an drei Kriterien fest: Ob das Gebäude wichtig ist, historisch, architektonisch oder kulturell, ob es ohne Hilfe des Trusts verloren und ob es ein schöner Ort für Ferien wäre.
landmarktrust.org.uk
landmarktrust.org.uk
Deutschland
In Deutschland existiert bisher noch keine zentrale Organisation, die sich in der genannten Weise mit erhaltenswerten Gebäuden befasst. Doch die Beispiele für lokale und private Initiativen sind auch dort inzwischen zahlreich. In Xanten sind unter anderem zwei historische Stadttore oder auch das Pesthäuschen aus dem 16. Jahrhundert für Gäste zu mieten.
In Bernkastel an der Mosel ist seit kurzem die erste Kirche in Deutschland als Ferienwohnung bewohnbar. Die Kirche von 1669 war dem Verfall ausgeliefert, bis die Betreiberin von bleibe.de darauf aufmerksam wurde und die gesamte Kirche samt Hausschwamm sanierte. Heute stehen hier mehrere Familienzimmer, ein grosser Aufenthaltsraum mit Küche und moderne Bäder zur Verfügung. Der ursprüngliche Charakter des Kirchenbaus, der zwischenzeitlich unter anderem zu Armenwohnungen umfunktioniert war, kommt jetzt wieder voll zur Geltung. Weitere Objekte von bleibe.de sind diverse historische Gebäude in der Eifel und im Sauerland.
Bildquellen: Yvonne Kirch, Monschau; Andreas Scholer, Osann-Monzel;Urs Siegenthaler, Zurich